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- kurze Geschichte der Krankenpflege -            

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Die 'kleine' Krankenpflege ...            

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VII. Aufstieg
          Krankenpflegeschulen



Der seit dem 17.Jhd. begonnene rege Fortschritt auf dem Gebiete der Medizin dauerte im
18.Jhd. an und wurde im 19.Jhd. geradezu stürmisch. Nennen wir nur einige berühmte Namen:
  • Romberg                schuf Grundlagen für Neurologie
  • Trommer                Zuckernachweis im Urin
  • von Fehling            Zuckernachweis im Urin
  • Semmelweis          1847 Entdeckung der Ursache von Kindbettfieber
  • von Rettenkofer,   Begründer der experimentellen Hygiene
  • Virchow,                  Begründer der Zellularpathologie und damit
                                          der modernen pathologischen Histologie
  • von Bergmann      Aseptik
  • Pasteur                   Grundlagen der Bakteriologie und Sterilisationstechnik. (Tollwutimpfung)
  • Robert Koch           Hauptbegründer der Bakteriologie, Plattenkulturen,
                                         Entdecker von Tuberkelbakterium, Cholerabazillus
  • Röntgen                  Röntgenstrahlen


  • Wie stand es nun um die Krankenpflege?
    In der zweiten Hälfte des 19. Jhd. ging einigen einsichtigen Ärzten die Bedeutung einer sorg-samen Krankenpflege für die Heilung des Patienten auf. Man versuchte den Mißständen durch Krankenpflegelehrbücher, durch theoretische Unterrichtskurse und vereinzelt auch durch Gründung von Ausbildungsstätten abzuhelfen. Das Ergebnis war unbefriedigend und
    praktisch bedeutungslos. Von der Theorie her ließen sich die Nöte nicht meistern.

    Im katholischen Raum entstanden, anknüpfend an die alte noch wirksame Tradition christlicher Krankenpflege, im 19. Jhd. mehrere krankenpflegende Genossenschaften, deren Statuten ein freieres Wirken in der Pflege, inner- und außerhalb des Krankenhauses begünstigten. Eine besondere Bedeutung erlangten, die am 01. November 1808 in Münster nach dem Vorbild
    der Vincentinerinnen durch Bischof Clemens Droste zu Wischering gegründeten, Clemens-schwestern. Ihre Satzungen wirkten weit über den Rahmen der eigenen Gemeinschaft
    hinaus an der Erneuerung und Hebung der Krankenpflege mit.

    Auch von englischer Seite wurden die großen Aufgaben im Krankendienst gesehen und ihre Bewältigung in Angriff genommen. Pastor Theodor Fliedner in Kaiserswerth (1800-1864) und seine Frau Friedericke verbanden die Lösung zweier dringender Probleme ihrer Zeit:


    1. Bereitstellung von Hilfskräften für alle sozialen Arbeitsfelder
    2. Hinführung unverheirateter Frauen zu einer befriedigenden Lebensgestaltung


    Aus kleinsten Anfängen - zunächst Gefangenenfürsorge, dann mehr und mehr auch Krankenpflege - entstand das Diakonissenmutterhaus in Kaiserswerth. Das erste von zahlreichen derartigen Häusern in Deutschland und darüber hinaus, die sich später zum Kaiserswerther Verband zusammen schlossen.

    Auf tiefchristlicher Weltanschauung und einer einheitlichen Volksschulgrundlage baute Fliedner die Ausbildung der Diakonissen zu Gefangenen- und Armenfürsorgerinnen, Kindergärtnerinnen, Lehrkräften und Krankenschwestern auf. Die "Verhaltungsregeln" für seine Schwestern entnahm Fliedner teilweise dem Buch des Bischofs Clemens Droste zu Wischering. So flossen hier trotz der konfessionellen Trennung gemeinsame christliche Grundströmungen ineinander. Eine eigentliche Krankenpflegeschule entstand in Kaiserswerth zunächst noch nicht, aber im Berufsethischen (Fliedner selbst) und praktischem (Anstaltsarzt) Unterricht, wurde bereits
    die Vorarbeit dafür geleistet.

    Aus Kaiserswerth holte sich "Vater Bodelschwingh"  - Pastor Friedrich von Bodelschwingh
    (1831-1910) -  seine ersten Hilfskräfte als er aus kleinsten Anfängen sein großes Liebeswerk, die Bethel'schen Anstalten aufbaute. Für die vielen Epileptiker, Schwachsinnigen und Geisteskranken brauchte er viele weibliche und männliche Pflegepersonen, die in den zahlreichen Häusern der Anstalt eine praktische Ausbildung und eine - in lebendiger christ-
    licher Liebe verankerte - berufsethische Grundlage erhielten. Bodelschwingh hat in die Krankenbetreuung frohe, der jeweiligen körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit
    jedes einzelnen angepaßte Arbeit, als Heilfaktor einbezogen und damit seinen Anstalten
    ein besonderes Gepräge und sehr ermutigende Erfolge gesichert.

    Kaiserswerth wurde auch noch dadurch von besonderer Bedeutung, daß Florence Nightingale (1820-1910) sich dort Anregungen und die erste Ausbildung in der Krankenpflege holte, die sie später bei den barmherzigen Schwestern in Paris erweiterte. Der Krimkrieg brachte ihren Bestrebungen eine ungeheuere Erprobung, aber auch Bewährung. Sie erreichte trotz stärkster Widerstände eine Verbesserung der Hygiene und des Lazarettwesens beim englischen Heer.

    Nach dem Kriege strebte Florence Nightingale mit der ihr eigenen Energie die Besserung der Zustände im englischen Spitalwesen und die schulische Ausbildung der Krankenpflegerinnen an. Nach Überwindung vieler Schwierigkeiten gründete sie 1860 im St. Thomas Spital in London mit 15 Schülerinnen Ihre Krankenpflegeschule. Die Ausbildung dauerte Anfangs ein Jahr und schloß mit einer Prüfung ab. Der Unterricht wurde täglich von Ärzten, Schwestern und Hausgeistlichen erteilt, - daneben erfolgte die praktische Ausbildung in den Krankensälen. Es sollten in dieser Schule zunächst Pioniere für eine Arbeit im größeren Bereich herangebildet werden, sowohl für die Spitalreform wie für die Gründung weiterer Schulen. Schon vor der Eröffnung ihrer Schule erschien 1859 ihr Buch: "Bemerkungen über Krankenpflege, was sie ist und was sie nicht ist."
    Es enthält in klaren Feststellungen die Grundsätze der Krankenpflege.

    Die Zeit der Krankenpflegeschulen war gekommen.

    Es entstanden folgende Schulsysteme:
    1) Nightingale System: Schule einem Krankenhaus eingegliedert,
         aber auf Grund von Stiftungen wirtschaftlich unabhängig davon.
    2) Amerikanisches System: Trennung von theoretischem und praktischem Unterricht.
    3) Mutterhaussystem in neuzeitlicher Ausgestaltung: besteht in religiösen Gemeinschaften
         und in den Schulen des Roten Kreuzes.
    4) Kontinentales System: mit mehr oder weniger weitgehender Trennung
         von Schule und Krankenhaus.
    1,3 + 4 sind Blocksysteme


    Im Jahre 1859, also ein Jahr vor der Schule im Thomashospital in London, entstand "La source" eine Krankenpflegeschule in Lausanne. Die Gründerin Comtesse de Gasparin gründete Ihre Schule im bewußten Gegensatz zum Mutterhaussystem. Sie wollte freie bezahlte Pflegerinnen heranbilden, verwurzelte aber die Berufsethische Unterweisung ausdrücklich im Evangelium. Da sie der Schule, das Haus und die Geldmittel aus ihrem Besitz zur Verfügung stellte, schuf sie so die erste Stiftungskrankenpflegeschule, die sich bis in unsere Zeit bewährt hat.
    Ein Jahr später folgte die Florence Nightingale Schule im St. Thomas Spital in London.
    Außerdem errichtete auch das Rote Kreuz schon 1860 das erste deutsche Mutterhaus mit Krankenpflegeschule in Karlsruhe.

    Das Rote Kreuz wurde durch Henry Dunant nach der Schlacht von Solferino 1859 gegründet.
    Die Genfer Konvention wurde allerdings erst 1864 durch Bevollmächtigte von 12 Staaten unterzeichnet, aber die Heranbildung von Hilfskräften für den Kriegsfall begann schon früher.

    Die gewählte Organisationsform war die Gruppierung der Nationalverbände um das inter-nationale Komitee vom Roten Kreuz in Genf. Die Entstehung nationaler Hilfsverbände er-
    folgte in mehreren Ländern in rascher Folge zwischen 1860 und 1870. Die Ausbildung der Pflegekräfte (männl. und weibl.) war in den verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich,
    von 6 Monaten bis zu 2 Jahren (Ungarn) und sogar 3 Jahren (Russland).

    Nach dem 1. Weltkrieg wurde das Wirken des Roten Kreuzes auf Gesundheitsfürsorge im Frieden ausgedehnt. Dadurch wurde für Frauen ein neues weites Arbeitsfeld neben der Krankenpflege geschaffen. Gute schulische Ausbildung auf theoretischem und praktischem Gebiet war nun schon in den meisten Ländern für diese Berufe eine Selbstverständlichkeit geworden.

    Noch standen die meisten ausgebildeten Krankenschwestern in der Bindung an ein Mutterhaus. Aber mit dem industriellen Zeitalter wurden die Unabhängigkeitsbestrebungen berufstätiger Frauen immer betonter, und wurden zunehmend anerkannt. Um die in den ausgesprochen fraulichen Berufen der Kranken-, Alten- und Armenpflege, sowie der Gesundheitsfürsorge stehenden Frauen durch Bindungen, die vielen nicht mehr zeitgemäß schienen, nicht abzuschrecken entwickelte man neue freiere Form des Schwesternberufes.

    Eine solche Form suchte der evangelische Diakonieverein gegr. 1894 von Prof. Zimmer zu verwirklichen. Die Schülerinnen wurden in einem Diakonie-Seminar ausgebildet. Das erste derartige Seminar entstand 1894 im städtischen Krankenhaus von Elberfeld; es folgten bald weitere derartige Seminare meist in großen städtischen Krankenhäusern (Erfurt, Magdeburg, Danzig). Auch ihr späteres Arbeitsfeld fanden die Schwestern des Diakonievereins zunächst meist in städtischen Häusern.

    Die beiden Hauptanliegen der Schwesternschaft sollten nach Prof. Zimmern sein:
    "Nach außen hin Schutz, nach innen Zucht, unter Wahrung der persönlichen Selbständigkeit und Eigenverantwortung der einzelnen Schwester. Die Selbständigkeit drückte sich u.a. darin aus, das
    sie finanziell so gestellt wurde, das sie in ihrer persönlichen Lebensgestaltung weitgehend unab-
    hängig sein konnte. Es entsprach auch dem Wesen der Genossenschaft, deren Glieder sich frei-
    willig zusammenfinden, das die Schwester jederzeit nach einer bestimmten Kündigungsfrist
    verlassen konnte."


    In der weiteren Entwicklung des Diakonievereins traten Ausbildung, Förderung und
    Weiterbildung der Schwestern immer mehr in den Vordergrund. Der geistige Mittel-
    punkt der Schwesternschaft wurde das Haus in Berlin-Zehlendorf, das seit 1946 eine
    Schwesternhochschule der Diakonie beherbergt. Diese vermittelt Schwestern eine
    zusätzliche Ausbildung für lehrende und leitende Posten.

    So ist seit der Mitte des 19. Jhd. in der Krankenpflege ein enormer Fortschritt erfolgt, nicht
    nur in der fachlichen Ausbildung, sondern vor allem auch hinsichtlich der berufsethischen Einstellung. Der Schwesternberuf ist auf dem Wege ein geachteter sozialer Frauenberuf zu
    werden. Freilich mußte der angebahnte Weg im 20.Jhd. weiter verfolgt werden und das geschah trotz starker Hemmnisse durch zwei Kriege und gewaltsame Eingriffe von Seiten des Staates.